Hastig schritt Niamh durch die steinernen Fluren, Treppen hinab, Treppen hinauf. In dem verwinkelten Bau der Festung war sie ewig unterwegs, wenn sie nur von einem Zimmer ins andere gehen wollte, zumal sie sich noch kuam zurecht fand. Der Blick der jungen Frau streifte ihm Vorbeigehen die prächtigen Wandteppiche, mit denen mache der steinernen Wände verziert waren und die Szenen aus der Bibel oder, vor allem die älteren Exemplare, sogar ein paar heidnische Bilder zeigten. Niamhs wache Augen registrierten bewundernd, dass die Dame, die den Teppich, an dem die junge Waliserin in dem Moment vorbeirauschte, sehr kunstfertig gewesen war. Die Stiche waren fein und alle haargenau gleich groß. Diese Kunst beherrschte Niamh auch, so war es nicht, aber noch nie hatte sie solch feines Goldgarn versticken dürfen...
Die junge Frau riss ihren Blick los und konzentrierte sich wieder auf ihre Aufgabe. Sie war unterwegs in die Gemächer der Königin, die Kemenate. In ihren schlanken Armen trug sie einen Korb, in dem sich frisch gewaschene Kleider der Königin befanden. Zärtlich berührten Niamhs Finger den feinen Stoff eines blutroten Kleides, dass mit komplizierten Stickereien aus silbernem Garn und kleinen Diamantsplittern verziert war. Niamh wusste, dass sie so einem Kleid niemals näher kommen würde, als im Moment...sie riskierte einen kleinen Blick an sich herunter : Ein brauner Rock, der schon einige Flecken aufwies, darüber eine ehemals weiße Schürze. Eine weiße Leinenbluse und ein sorgfältig geschnürtes Mieder vervollständigten das Bild. An den Füßen trug Niamh Holzpantien und ihr üppiges, lockiges Haar war zu einem Kranz um ihren Kopf geflochten. Das konnte man jedoch nicht sehen, denn damit ihr Haar nicht den lüsternen Blick eines Mannes anzog, hatte Niamh es unter einem weißen Tuch versteckt.